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Über Flash, den Armmolch und die Deutsche
Bahn
Ein Interview mit Colin
Moock, übersetzt von Dorothea Heymann-Reder
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O'Reilly Verlag: Colin, Ihr Buch ist in der
Flash-Community wohl bekannt und steht jetzt auch als deutsche
Übersetzung zur Verfügung. Was gefällt Ihnen persönlich am besten an
dem Buch?
Colin Moock: Im Wesentlichen die tief gehende, gründliche
Behandlung des Themas. Ich finde es gut, nicht nur zu verstehen, wie
etwas funktioniert, sondern auch, warum es genau so funktioniert,
welche Probleme dabei auftreten können und wie man die betreffende
Funktion am besten einsetzt. Ich mag Bücher, die ihr Sujet wirklich
erschöpfend behandeln, und ActionScript
für Flash MX ist ein solches Buch. So widme ich alleine der
Klasse "TextField" 62 Buchseiten, auf denen ich mir große Mühe gebe,
auch ein paar äußerst verwirrende Methoden (z.B. setNewTextFormat())
zu erklären und auf eine Menge kleinerer Probleme hinzuweisen, auf
die ernsthafte Entwickler stoßen könnten.
Außerdem gefällt mir an der zweiten Auflage das überarbeitete
Kapitel 12 über Objekte und Klassen. Ich denke, dass darin die
objektorientierte Programmierung mit Flash sehr gut erklärt wird und
dass ein paar hochtechnische Themen sehr klar beschrieben werden.
Der Lektor Bruce Epstein und ich haben bestimmt allein für den
Abschnitt über die Prototypenkette und für die Probleme mit dem
Standardverfahren zur Oberklassenzuweisung (diese berühmte
Diskussion über __proto__ versus new()) eine volle Woche Zeit
gebraucht.
Die O'Reilly-Bücher sind bekannt für die Tiere auf dem
Cover. Wie finden Sie das Tier auf Ihrem Buch?
Ganz toll! Super! Als ich es zum
ersten Mal gesehen habe, war zufällig ein Freund von mir, James,
dabei. Er rief: "Wahnsinn! Wie bist du an den Basilisken gekommen?"
(er meinte die mythische vogelköpfige Schlange, nicht die Echse
gleichen Namens).
Dabei hatte ich mir den Armmolch
nicht gewünscht. Ich wollte gern einen Biber, weil er Kanadas
Nationaltier ist. Eigentlich wünsche ich mir immer noch einen Biber.
Vielleicht schreibe ich noch ein Buch, nur um zu schauen, ob ich
dann vielleicht meinen Biber bekomme. Als zweite Wahl habe ich den
Frosch angegeben, weil Frösche so nette Tiere sind. Ich habe
versucht, O'Reilly von dem Biber zu überzeugen, indem ich sagte, wie
Flash seien auch Biber gewissermaßen plattformunabhängig: Sie können
im Wasser und auf dem Land leben. Vielleicht ist der Armmolch ja
eine Art Kompromiss: Armmolche leben die meiste Zeit des Jahres im
Schlamm.
Wann und wofür haben Sie Flash zum ersten Mal
benutzt?
1996, als ich für SoftQuad als Webmaster gearbeitet habe.
Seinerzeit hieß Flash noch FutureSplash, und ich habe es von
FutureWave Software bekommen. SoftQuad produzierte damals einen
beliebten HTML-Editor, der aber letztlich von Microsoft FrontPage
und Macromedia Dreamweaver verdrängt wurde. FutureWave wollten ihr
Plugin auf die Website von SoftQuad bringen. (Wie das Schicksal so
spielt, ist SoftQuad längst verschwunden und Flash wuchs zu einem
ganzen Industriezweig heran.) Wie dem auch sei: Da ich 1996 keine
Plugins auf der Website von SoftQuad zuließ, habe ich mir nicht die
Mühe gemacht, FutureSplash längere Zeit zu untersuchen. Aber die CD
habe ich immer noch.
Die erste Gelegenheit, bei der ich Flash tatsächlich benutzt
habe, ergab sich rund ein Jahr später bei einer Internet-Agentur
namens ICE. Ich gehörte zu einem Team, das die Website von Levi's
Canada als animierte Kneipenszene mit Flash 2 gestaltet hat.
Ungefähr zur gleichen Zeit habe ich GWEN! geschrieben und
angefangen, Technotes über meine Erfahrungen mit Flash zu
veröffentlichen. So kamen die ersten Flash-Hilfethemen auf
moock.org. Unter http://www.moock.org/webdesign/flash/sandbox/
können Sie immer noch die Website von Levi's und GWEN! sehen.
Haben Sie zurzeit eine Lieblingswebsite, die mit Flash
erstellt wurde? Und wenn ja, warum ist sie es?
Aber klar doch: STRONG BAD!
Und: presstube.com (von
James Patterson), pitaru.com
(von Amit Pitaru) und levitated.net (von Jared
Tarbell).
Warum? Schauen Sie selbst. Wenn Sie dann nicht verstehen, warum
mir diese Sites gefallen, kann ich es auch nicht erklären.
Welches Potenzial sehen Sie für Flash in den nächsten ein
bis zwei Jahren? Ist irgendeine spektakuläre Entwicklung in
Sicht?
Es wird wohl keine Überraschungen geben. Ich denke, dass immer
mehr Flash-basierte Anwendungen entstehen werden. Macromedia drängt
sehr stark in diese Richtung, was ja auch sinnvoll ist. Bei
Macromedia Central wird Flash sogar auf dem Desktop eingesetzt.
Höchstwahrscheinlich - vielleicht sogar zwangsläufig - wird sich die
Weise, wie Flash-Inhalte schon jetzt auf Design und Bewegung setzen,
bald auch in den traditionellen Desktop-Anwendungen durchsetzen. Die
Frage ist nur: Werden diese so genannten "reichhaltigen"
Desktop-Anwendungen in Flash geschrieben, oder werden die
Betriebssystemproduzenten einfach Flash-Metaphern in ihre eigenen
Entwicklungswerkzeuge integrieren?
Wenn etwas Spektakuläres in Sicht ist, dann ist es der Flash
Communication Server von Macromedia. Er ist zwar schon da, aber
eigentlich ist er immer noch im Kommen.
Kritiker sagen, dass Flash nur für Gimmicks gut ist, die
die Ladezeit von Websites verlängern. Was denken Sie
darüber?
Ich schätze, diese Kritiker haben sich 1999 das letzte Mal mit
Flash beschäftigt. Heutzutage kann kein Mensch, der etwas von
moderner Webtechnologie versteht, allen Ernstes Flash als Gimmick
bezeichnen.
Sie sind nicht nur Programmierer, sondern auch ein sehr
produktiver Maler. Was bedeutet Ihnen das Malen im Gegensatz zum
Programmieren?
Ich sehe zwischen dem Malen und dem Programmieren keinen
Gegensatz. Im Grunde ist beides ziemlich ähnlich. Das Malen ist ein
kreatives Medium, um visuelle Erfahrungen zu gestalten, und die
Flash-Programmierung ist eben ein anderes kreatives Medium, um
visuelle Erfahrungen zu gestalten. Zu Ihrer Frage "Was bedeutet
Ihnen das Malen?" muss ich sagen, dass ich es noch nie gewagt habe,
sie zu beantworten. Ebenso wenig wie ich beantworten kann, was für
ein Gefühl es ist, Musik zu hören oder in einem Wald zu stehen. So
etwas kann ich nicht zerlegen und analysieren; ich lasse es als
instinktive Erfahrung bestehen, und dabei bleibt es.
Stellen Sie auch aus?
Nein, nie. Ich bin nicht an der Galerie-Szene interessiert. Es
gibt genug Maler, die die Wände von Galerien vollhängen. Ich male
für mich selbst und für die Menschen, die ich kenne (und von denen
viele in meiner Arbeit auftauchen). Meine Arbeit baut zu diesen
Menschen eine Art von Beziehung auf, die sie niemals erfahren
könnten, wenn sie ein Ausstellungsstück in einer Galerie betrachten.
Jeder sollte malen. Jedes Haus ist eine Galerie.
Allerdings stelle ich meine Bilder ins Internet. Das ist aus
folgenden Gründen besser als Ausstellungen in einer Galerie: 1) Es
geht nicht um Geld. 2) Die Besucher meiner Website verbindet etwas
mit mir; sie kennen Bücher oder andere Arbeiten von mir. 3) Keine
Institution "sanktioniert" meine Arbeit oder stempelt sie als
"anerkannte Kunst" ab, indem sie sie in eine Galerie hängt. Meinen
Bildern soll man vorurteilsfrei begegnen. Und 4) Ich finde es schön,
wie die Bilder aussehen, wenn sie von hinten beleuchtet sind :)
In manchen Ihrer Bilder finden sich Symbole der Deutschen
Bahn und deutscher Bahnhöfe. Welche Geschichte steckt dahinter?
1997 bin ich mit meinem Vater nach Deutschland
gefahren, um seine Heimatstadt Hamburg zu sehen (eigentlich
Volksdorf). Wir haben auch meine Tante in Nürnberg besucht, und ich
habe für ein paar Tage bei einem Freund in Karlsruhe vorbeigeschaut.
Die Bilder beruhen alle auf Skizzen, die bei dieser Reise entstanden
sind. Schauen Sie sich folgende Bilder an: (Wenn Sie auf auf die
Bilder klicken, gelangen Sie zu einer größeren Version des
jeweiligen Bildes auf Colins Website.)
Das erste
Bild zeigt eine Kellerkneipe in Karlsruhe, direkt neben dem
Biergarten im Zentrum. Mein Bekannter und ich saßen dort lange
zusammen, und ich habe die Bedienung beim Bierzapfen gezeichnet.
Das zweite Bild entstand auf einem Bahnhof irgendwo zwischen
Hamburg und Nürnberg. Der Zug hielt lange genug, um eine schnelle
Skizze anzufertigen. Für mich als Kanadier waren die Züge etwas ganz
Tolles. Die älteren Züge sehen so stabil und rein auf ihre Funktion
ausgerichtet aus, wozu das Logo der Deutschen Bahn gut passt. Das
gesamte Bahnnetz strahlt Pflichtbewusstsein und Zuverlässigkeit aus.
Ich fand es toll, wie jeder Bahnhof eine abgeschlossene, feste Insel
war, wo sich die Reisenden zwischen den sicheren Häfen der
Bahnsteige hin und her bewegten. Übrigens, mein Großvater Eugene
Moock wurde nach dem zweiten Weltkrieg, mit vierzig Jahren,
Künstler. Ich liebe seine Bilder, und die Form der Bahnsteige in
meinem Bild sind eine Reverenz an ihn.
Dieses Bild ist eines von zwei Bildern vom Hamburger
Hauptbahnhof. Ich war begeistert von den hellblauen Anzeigen, von
der Menge der Bahnsteige und von den Zahlentäfelchen, die sich auf
den Anzeigetafeln drehen, wenn die Anzeige sich ändert. So etwas
haben wir in Kanada nicht. Diese Anzeigetafeln in den Bahnhöfen sind
wirklich ein Schauspiel.
Das ist das zweite Bild vom Hamburger Hauptbahnhof.
Ich finde, es fängt die Stimmung noch viel besser ein. Den
unvermeidbaren Schmutz, die Weite, die modernen Lichter inmitten der
älteren Strukturen und das flüchtige Kommen und Gehen von Zügen und
Menschen. Dieses Bild hat denselben Stil und dieselben Farben wie
die Karlsruher Kneipe. Etwas Ähnliches habe ich nie wieder gemalt.
Wahrscheinlich lag es an einem Gefühl, das die Reise in mir
hinterließ, und das inzwischen verblasst ist ...
Vielen Dank für das interessante Gespräch,
Colin.
Die Bücher ActionScript
für Flash MX - Das Handbuch und ActionScript
für Flash MX - Die Referenz sind bei O'Reilly im Mai und
Juni 2003 erschienen.
Colin
Moock ist ein unabhängiger Web-Guru mit einer Schwäche für
Kreativität und Ausdrucksformen im Netz. Schon seit 1995 beschäftigt
er sich mit Forschung, Design und Programmierung für das Web.
Inzwischen teilt er seine Zeit zwischen dem Schreiben von Büchern,
dem Sprechen auf Konferenzen und der Erforschung neuer
Web-Technologien auf. Durch seine preisgekrönten Flash-Entwicklungen
und seine renommierte Support-Website für Flash-Entwickler
(http://www.moock.org) bekannt geweorden, ist er heute eine der
führenden Persönlichkeiten der Flash-Community. |